Venedig feiert die Revolution des Körperverständnisses in der Renaissance mit Ausstellung in der Gallerie dell´Accademia

Die Galerie dell’Accademia in Venedig bringt eines der bekanntesten Werke der Kunstgeschichte zurück ins Rampenlicht: Leonardos „Vitruvianischer Mensch„. Seit 4. April bis zum 27. Juli 2025 steht das Meisterwerk im Zentrum der Ausstellung „Moderne Körper“, die sich der Renaissance und ihrer bahnbrechenden Auseinandersetzung mit der Anatomie, der Wissenschaft und der kulturellen Konstruktion des menschlichen Körpers widmet.
Kuratiert von Guido Beltramini, Francesca Borgo und Giulio Manieri Elia, versammelt die Schau hochkarätige Kunstwerke von Michelangelo, Albrecht Dürer, Giorgione und Giovanni Bellini sowie selten gezeigte wissenschaftliche Instrumente, anatomische Modelle, historische Bücher und Alltagsgegenstände.

Die Renaissance markierte einen fundamentalen Wendepunkt in der Geschichte der Körperwahrnehmung: Der menschliche Körper wurde nicht länger als rein biologisches Gefäß betrachtet, sondern entwickelte sich zu einem komplexen kulturellen Konstrukt, geprägt von wissenschaftlichen Erkenntnissen, künstlerischen Interpretationen und gesellschaftlichen Konventionen.
Leonardos „Vitruvianischer Mensch“ – Zurück in der Öffentlichkeit
Ein besonderes Highlight ist die Rückkehr von Leonardos „Vitruvianischem Menschen“, einer der Ikonen der Kunstgeschichte. Nach sechs Jahren wird die empfindliche Zeichnung wieder für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das weltberühmte Werk, das die idealen Proportionen des menschlichen Körpers nach den Prinzipien des antiken Architekten Vitruv(ius) beschreibt, markiert einen Meilenstein im Verhältnis zwischen Kunst und Wissenschaft.

Wegen der Kostbarkeit und heiklen Konservierung wird die um 1490 entstandene Skizze aus da Vincis Tagebuch höchst selten gezeigt. Seit 1822 befindet sich das Orginal in der Gallerie dell´Accademia. Ein österreichischer Gouverneur hatte die mit Kommentaren versehene Zeichnung mit 25 weiteren Zeichnungen Leonardos von den Erben des Kunstsammlers Giuseppe Bossi erworben.
Zu ihrem Namen kommt die Skizze durch den römischen Architekten Vitruv(ius), der im Jahrhundert v. Chr. lebte und in seinen Büchern die Theorie des wohlgeformten Menschen (Homo Vitruvianus) mit idealen Verhältnissen der Körperteile beschrieb. Der Mensch in ebenmäßiger Form und seinen Proportionen ruhend, perfekt Quadrat und Kreis erfüllend – eine Manifestation der Harmonie von Mensch und Kosmos. Es ist wie eine Antwort, die man sich auf die akute Unordnung der Welt wünscht: Der Mensch als Maß aller Dinge.
Drei faszinierende Kapitel der Körpergeschichte
Die Ausstellung gliedert sich in drei thematische Schwerpunkte:
„Der unverhüllte Körper: Wissen“ – Hier geht es um die wissenschaftliche Erforschung des menschlichen Körpers, insbesondere durch anatomische Studien und medizinische Erkenntnisse. Venedig und Padua waren bedeutende Zentren dieser Entwicklungen, und die gezeigten Werke spiegeln das wachsende Interesse der Renaissance an der menschlichen Anatomie wider.

„Der nackte Körper: Begehren“ – Dieser Abschnitt beleuchtet die Darstellung des menschlichen Körpers als Objekt des Blicks und der Begierde. Die Ausstellung zeigt sowohl die idealisierte weibliche Nacktheit, etwa in Darstellungen der liegenden Venus, als auch den leidenden, erhabenen männlichen Körper in religiösen Kontexten.

„Der konstruierte Körper: Sich selbst repräsentieren“ – Kleidung, Kosmetika und Alltagsgegenstände der Renaissance zeigen, wie stark Körperbilder durch gesellschaftliche Normen geprägt wurden. Besonders hervorzuheben ist eine kostbare Schminkschatulle aus dem 16. Jahrhundert mit Spiegeln, Parfüms und Pflegeutensilien, die aus einer Privatsammlung stammt und als Leihgabe des Kunsthistorischen Museums Wien präsentiert wird.
Leonardo da Vinci: Vertiefen Sie Ihr Wissen über den Meister der Renaissance
Zeitlose Aktualität der Ausstellung
„Diese Ausstellung spricht durch das Prisma der Renaissance direkt zu uns heute“, erläutern die Kuratoren. „Sie zeigt, wie der Mensch begann, den Körper wissenschaftlich zu erforschen und gleichzeitig als Mittel der Selbstinszenierung zu nutzen – ein Spannungsfeld, das bis in unsere Gegenwart hochaktuell ist.“

Die Ausstellung vereint erstmals kostbare Leihgaben internationaler Museen und Privatsammlungen. Neben Gemälden und Skulpturen werden auch wissenschaftliche Instrumente, anatomische Modelle, historische Bücher, Kleidungsstücke und Alltagsgegenstände präsentiert, die ein lebendiges Bild der Renaissance-Kultur zeichnen.
Praktische Informationen
Ausstellungszeitraum: bis 27. Juli 2025
Ort: Gallerie dell’Accademia, Venedig
Zur Ausstellungswebseite und Online-Ticketbuchung: Gallerie dell´Accademia di venezia
Hauptwerke: Leonardos vitruvianischer Mensch sowie Meisterwerke von Michelangelo, Dürer, Bellini und Giorgione
Seltene Gelegenheit: Der vitruvianische Mensch in der Öffentlichkeit
Die letzte Gelegenheit, Leonardos berühmte Zeichnung zu bewundern, bot sich dem Publikum 2019 im Pariser Louvre. Im Rahmen der spektakulären Leonardo da Vinci Retrospektive zum 500. Todestag des Renaissance-Meisters war das fragile Meisterwerk Teil einer einzigartigen Werkschau und ich hatte das große Glück es dort zu bewundern. Nun kehrt die Zeichnung in ihre Heimat Venedig zurück und ich freue mich auf das Wiedersehen.

Tipp für KunstliebhaberInnen: Da der vitruvianische Mensch nur selten öffentlich gezeigt wird, empfiehlt sich eine frühzeitige Planung des Besuchs. Für alle, die ihre Faszination für Leonardo da Vinci vertiefen möchten, bieten zwei weitere Museen einen tiefgehenden Einblick in sein außergewöhnliches Leben
Interaktives Leonardo da Vinci Museum
Das DA VINCI INTERACTIVE MUSEUM entführt seine BesucherInnen auf eine Zeitreise durch die Räume der Scoletta di San Rocco, die 1494 in Venedig als erster Sitz der Rochus-Bruderschaft gegründet wurde.
Im Museum können BesucherInnen nicht nur Leonardos Maschinen und Erfindungen bestaunen, sondern auch Originalmöbel, sechs Originalgemälde aus der Schule Tintorettos aus dem 17. Jahrhundert sowie die Treppe und die Eingangstür aus der Zeit um 1700 entdecken
Das Museum zeigt die wichtigsten von Leonardo Da Vinci entworfenen Mechanismen. BesucherInnen können diese bedienen und so die Bandbreite seiner Ingenieurs- und Physikstudien nachvollziehen, die zur Entdeckung neuer Dynamiken und Maschinen führten, welche in der heutigen Zeit unverzichtbar geworden sind.
Hier geht´s zu den Tickets im Da Vinci Interactive Museum
Leonardo da Vinci Ausstellung- La Mostra a Venezia
Eine weitere Ausstellung in Venedig, die sich mit Leonardo da Vinci beschäftigt, behandelt mehrere zentrale Themen:
- Leonardos Maschinen und Erfindungen: Die Ausstellung zeigt eine Vielzahl von Leonardos berühmten mechanischen Konstruktionen und Erfindungen, die seine innovative Denkweise und sein Verständnis von Technik und Natur verdeutlichen.
- Kunst und Wissenschaft: Es wird untersucht, wie Leonardo da Vinci die Grenzen zwischen Kunst und Wissenschaft überschritt. Seine Studien zur Anatomie, Physik und Mechanik werden in den Kontext seiner künstlerischen Arbeiten gestellt.
- Interaktive Elemente: Die Ausstellung bietet interaktive Stationen, an denen Besucher Leonardos Prinzipien selbst erleben können. Dies fördert ein tieferes Verständnis seiner Methoden und Ideen.
- Einfluss auf die moderne Welt: Die Relevanz von Leonardos Arbeiten für heutige Technologien und wissenschaftliche Ansätze wird thematisiert, wodurch sein bleibender Einfluss auf verschiedene Disziplinen hervorgehoben wird.
Die Ausstellung lädt die BesucherInnen ein, in die faszinierende Welt von Leonardo da Vinci einzutauchen und seine außergewöhnlichen Beiträge zur Kunst und Wissenschaft zu entdecken.
Hier finden Sie weitere Informationen zu dieser Ausstellung in der Chiesa di San Barnaba